Samstag, 29. Oktober 2011

Meine Buchrezension zum Bilderbuch " Der Tag, an dem Marie ein Ungeheuer war" von Lotte Kinskofer und Verena Ballhaus

===Die Einleitung:===
Ich arbeite seit etwa fünf Jahren als Erzieherin und habe während dieser Zeit und während der Ausbildung davor viele tolle Bilderbücher für Kinder verschiedenen Alters kennen gelernt.
Eines dieser Bilderbücher namens „Der Tag, an dem Marie ein Ungeheuer war“ möchte ich euch heute vorstellen.

===Die Autorin und die Illustratorin:===
Die Autorin des Buches ist die im bayrischen Ort Langquaid wohnhafte  Lotte Kinskofer.
Laut ihrer Homepage www.lotte-kinskofer.de schrieb sie unter ihrem vollen Namen Lieselotte Kinskofer fürs Fernsehen, als 1998 ihr erstes Manuskript („Agentur der bösen Mädchen“) von einem Verlag angenommen wurde.
Ihr wurde geraten, ihren Namen als Autorin etwas zu kürzen und so wurde aus Lieselotte einfach Lotte, weshalb es bei sich bei beiden Autorennamen um ein und dieselbe Person handelt.
Die Illustratorin des Buches ist Verena Ballhaus.
Laut dem Verlag hat sie an der Kunstakademie in München studiert und widmet sich seit Mitte der 80er-Jahre ganz dem Illustrieren von Kinderbüchern.
Damit hat sie schon zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den Deutschen Jugendliteraturpreis für "Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße".Für diesen Preis wurde sie auch nominiert mit dem Bilderbuch "Der Tag, an dem Marie ein Ungeheuer war".
 2004 erhielt Verena Ballhaus in der Sparte „Illustration“ den Österreichischen Kinder- und Jugendliteraturpreis.


===Fakten zum Buch:===
Das gebundene Bilderbuch erschien im Januar 2002 im Bajazzo-Verlag.
Es umfasst 28 Seiten und wurde 2009 im Beltz-Verlag neu aufgelegt.
Die Neuauflage ist im Buchhandel für 5,95 Euro erhältlich.
Die Ausgabe aus dem Bajazzo-Verlag ist meist nur noch gebraucht erhältlich.

===Die Gestaltung des Buches:===
Das gebundene Buch hat in etwa die Größe eines Din A4 Blatts.
Es umfasst nur wenige Seiten und ist daher gut geeignet für Kinder ab drei Jahren.
Das Cover ist in einem fröhlichen Orange gehalten.
Oben stehen in schwarzen kleinen Buchstaben die Namen der Autorin und der Illustratorin.
Oberhalb und unterhalb des Titelbilds, auf dem man Marie als Ungeheuer sieht, steht der Titel des Buches.
Die Worte „Marie“ und „Ungeheuer“ wurden rot hervorgehoben.
Die Rückseite des Buches ist in der gleichen Farbe wie das Cover gehalten.
Darauf sieht man ein Mädchen mit zu Berge stehenden Haaren, welches sich in einem Handspiegel betrachtet.
Darunter steht eine kurze Inhaltsangabe, bei der die Worte  „große Füße“, „dicker Bauch“, „Kartoffelnase“ und „Flossen“ fett gedruckt hervorgehoben wurden.
Mir gefällt die farbenfrohe Gestaltung des Buches sehr gut.
Die originelle Art der Illustration ist mal was anderes und macht Lust darauf, etwas genauer hinzuschauen.

===Der Verlag über das Buch:===
Marie ging in den Kindergarten wie jeden Morgen.
Als sie die Hausschuhe anzog, kam Raphaela.
Du hast aber große Füße, sagte sie und ging weiter.
Marie sah ihre Füße an.
Tatsächlich, die waren ja riesengroß.
So beginnt ein ganz normaler Tag im Leben von Marie.
Später ist einem Jungen ihr dicker Bauch im Wege, ein Mädchen meint, sie
solle ihre Kartoffelnase nicht in ihr Buch stecken und ihr Bruder will Maries
Flossen nicht in den Pommes haben.
Da soll sich niemand wundern, wenn Marie schließlich glaubt, sie sei ein
Ungeheuer…


===Die Geschichte und meine Meinung dazu:===
In der Kindertagesstätte, in der ich 4 ½ Jahre gearbeitet habe, arbeiteten wir in so genannten Bildungsbereichen und einer meiner Bildungsbereiche war das Bücherzimmer.
Hier konnten sich die Kinder aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Bilderbüchern welche aussuchen und sich diese dort alleine, mit Freunden oder der Erzieherin anschauen oder vorlesen lassen.
Eines der Bücher, welches den Kindern und mir selbst sehr gut gefallen hat, ist „Der Tag, an dem Marie ein Ungeheuer war“.Auf den ersten zwei Seiten, bevor das eigentliche Buch beginnt sieht man lauter Gestalten in Sprechblasen.
Diese Gestalten stellen Dinge dar, mit denen man selbst oder andere die Mitmenschen schon bezeichnet hat.
Da sieht man ein Gesicht mit einer spitzen Zunge, einen Rettungsring, ein Gesicht mit einem breiten Mund, eine Brille, eine Schnecke und vieles mehr.
Hand aufs Herz, so ziemlich jeder von uns hat mal einen Mitmenschen aus Wut oder im Streit z.B. als lahme Schnecke bezeichnet oder von jemanden behauptet, er hätte eine spitze Zunge.
Was solche unbedachten Äußerungen bei einem Kind anrichten können, zeigt dieses Buch auf eine lustige Art und Weise und kommt dabei ganz ohne den erhobenen Zeigefinger aus.
Auf der ersten Seite vor der eigentlichen Geschichte sieht man das kleine Mädchen Marie.
Sie trägt ein blaues Kleid oder eine blaue Jacke, so genau ist das nicht ersichtlich.
Dazu trägt sie schwarze Schuhe, hat blondes kurzes Haar und trägt eine Kindergartentasche am Arm.
Auf einem dunkelbraunen Hintergrund sieht man Szenen aus Maries Alltag, überwiegend als kleine Schwarz-Weiß-Zeichnungen.
Da kläfft ein kleiner Hund und zieht bedrohlich an seiner Leine, als Marie an ihm vorübergeht.
Im Zentrum der ersten Seite ist ein weißes Rechteck.
In diesem Rechteck sieht man Marie in Schwarz- Weiß auf einer Kindergartenbank sitzen, während sie ihre Schuhe auszieht.
Raphaela kommt vorbei und sagt „Du hast aber große Füße“.In einer Sprechblase, die einem geöffneten Fischmaul ähnelt, steht „Haha!“Auf der nächsten Seite sieht man Marie, deren Füße eben noch genauso groß waren wie die von Raphaela.
Ihre Füße sind nun riesengroß und sie fällt dauernd darüber.
Eine Seite weiter dominieren zwei kleine Farbzeichnungen das Bild.
Auf der einen Seite sieht man Kai, der gerade auf einem Schaukelpferd schaukelt und Marie wegschubst, die gerade die Buntstifte über ihm holen wollte.
Er knurrt:  „Hey, du störst!“ und sagt  „Nimm deinen dicken Bauch weg“.Marie hält die Buntstifte und ein Blatt Papier in den Händen und spürt nun, wie ihr dünner Bauch auf einmal wächst und wächst.
Auf der roten Seite nebenan sieht man Marie im Kindergarten.
Sie setzt sich mit den Stiften und ihrem Malblock an den Tisch, aber es fällt ihr schwer zu malen, denn ihr dicker Bauch ist immer im Weg.
Um sie herum spielen Kinder und die Stühle haben Gesichter.
Auf den nächsten bedien Seite sieht man Kinder, die miteinander über etwas reden.
In den Sprechblasen um sie herum steht „Hey, die passt da nicht durch!“und
„…zu breit“.
Offensichtlich bauen sie gerade etwas und Marie ist sich nun sicher, dass sie hässlich ist, schließlich hat sie ihnen zugehört.
Doch ob die beiden wirklich über Marie geredet haben?
Marie beschließt, dass keiner sehen soll, wie dick sie ist und wie groß ihre Füße sind.
Deshalb steht sie den ganzen Morgen nicht mehr vom Maltisch auf.
Nun kommt Tina an den Maltisch und blättert in einem neuen Bilderbuch.
Marie möchte es auch gerne anschauen  und beugt sich vor.
Tina klappt das Buch zu, schaut sie böse an und sagt:
“Steck deine Kartoffelnase nicht in meine Sachen!“Marie stellt erschrocken fest, dass ihr nun eine riesig große Kartoffel anstelle der Nase wächst.
Jetzt konnte sie gar nicht mehr aufstehen, denn nun musste sie auch noch ihre große Nase verbergen und sie fängt an zu weinen.
Mittags lief Marie heim, der Hund der am Morgen gebellt hat, lag zusammengerollt da und Marie sah ganz anders aus als zuvor.
Marie möchte sich zu Hause am Mittagstisch  eine zweite Portion Pommes nehmen, doch ihr Bruder Lukas stößt ihre Hand zurück und sagt:
„Flossen weg, der Rest ist für mich!“.Marie isst nicht weiter, denn nun wachsen ihr auch noch Flossen.
Ein komischer Anblick, wie sie so am Mittagstisch sitzt, mit den Flossen und ihrer Kartoffelnase.
Ihre Schwester Kathrin lacht und sagt:
„Mensch, glotz nicht so blöd. Du musst dich halt wehren.“
Als Lukas und Kathrin endlich gegangen waren, wagt Marie es, aufzustehen.
Sie möchte ihre Kartoffelnase mit den Händen verbergen, aber das waren ja jetzt Flossen.
Also schleppte sie sich mit ihren großen Füßen die Treppe hinauf und sah aus ihren Glotzaugen traurig vor sich hin.
Nachmittags traut sie sich dennoch, in den Garten zu gehen und ist erleichtert, dass keiner bemerkt, was mit ihr passiert ist.
Sie schaukelt und singt fröhlich vor sich hin bis Thorsten, der Nachbarsjunge ruft:  „Halt die Klappe! Kleine Mädchen singen scheußlich.“Nun hatte Marie unter den Glotzaugen und der Kartoffelnase auch noch eine Klappe.
Sie versucht ihr Ungeheuergesicht hinter den Haaren zu verstecken und streicht sie mit den Flossen nach vorne.
Thorsten lacht und sagt:
„Glaubst du, mit deinen Borsten bist du schön?“.Marie hatte nun auch noch Borsten, deshalb sprang sie weinend von der Schaukel auf und lief in ihr Zimmer.
Sie möchte nie wieder in den Kindergarten gehen.
Sie würde nie wieder laufen können, denn die großen Füße und der dicke Bauch waren im Weg.
Nie wieder würde jemand sie ansehen wollen, da sie ja Glotzaugen, Borsten, Kartoffelnase und eine Klappe hatte und mit ihren Flossen konnte sie auch nicht schreiben.
Daher würde sie auch nicht in die Schule kommen.
Als ihr Mutter Marie zum Abendessen holen wollte, erschrak sie, da diese so verzweifelt aussah.
Marie aber dachte, dass ihre Mutter sie so ansah weil Marie ein Ungeheuer ist und niemand ein Ungeheuer lieb hat.
Die Mutter setzt sich zu Marie aufs Bett, doch diese rückt ein bisschen weg.
Die Mutter nimmt eine Flosse in ihre Hand und fragt Marie leise, was mit ihr los ist.
Marie antwortet: "Ich bin ein Ungeheuer. Ich bin hässlich.“Maries Mutter versteht sie nicht, sie streichelt Maries Borsten, wischt ihr die Tränen von der Kartoffelnase und sagt:
“Du bist so schön wie immer. Was soll denn an dir hässlich sein?“
Marie zieht ihre Flosse zurück und sagt, dass es eine Flosse ist.
Ihre Mutter schaut genau hin und nimmt die Flosse in beide Hände.
Sie sagt: "Das ist eine Hand. Eine schöne Hand“.
Das Wort Hand wurde fett gedruckt.
Marie staunt, denn plötzlich ist aus der Flosse wieder eine Hand geworden.
Sie fragt ihre Mutter, was denn mit ihrem dicken Bauch, ihren Glotzaugen, ihrer Klappe, ihrer Kartoffelnase und ihren Borsten ist.
Auf den Bildern wird Marie dunkel dargestellt, nur die Mutter ist farbig.
Die Mutter steht auf und kommt mit einem großen Spiegel zurück.
Sie zieht Marie vom Bett hoch und stellt sich mit ihr davor.
Dann sagt sie, dass sie Marie sieht.
Diese hat schöne blaue Augen, langes braunes Haar, eine kleine Nase mit Sommersprossen und einen Mund, mit dem sie lachen und singen kann.
Wenn sie viel gegessen hat, ist ihr Bauch ein bisschen rund, aber meistens ist er ganz normal.
Und ihr Füße, tja die sind im letzten Jahr gewachsen, aber das ist ja bei allen Kindern so,
Marie öffnet ihre Augen und schaut zaghaft in den Spiegel und was sie darin sieht ist kein Ungeheuer, sondern ein Mädchen mit Händen und Füßen, Haare und Augen, Nase, Mund und einem ganz normalen Bauch.
Endlich erzählt sie ihrer Mutter, was sie erlebt hat.
Maries Mutter lacht und sagt ihr, dass Marie wie Marie aussieht und schön ist.
Sie hat weder Borsten noch eine Klappe und sagt sie weiß es besser.
"Ich auch“ sagt Marie.
Die letzten Seiten in denen sich Marie ihrer Mutter anvertraut und positive Resonanz bekommt, sind in einem fröhlichen Orange und auch Marie ist endlich wieder in Farbe.
Dies drückt Maries Wechselbad der Gefühle aus.
Anfangs war sie unsicher (Schwarz-Weiß), dann war sie traurig und fühlte sich als Ungeheuer (Schwarz) und schließlich ist sie fröhlich und hat ein positives Selbstbild (Orange und bunt).

===Mein Fazit:===
Meiner Meinung ist das Buch ein wunderschönes, einfühlsames und pädagogisch wertvolles Bilderbuch.
Die Bilder sind originell und erfrischend anders als die meisten Bilder aus anderen Bilderbüchern.
Hier wird nichts verniedlicht, sondern es wird mit Formen und Strukturen gearbeitet und Gefühlen werden Farben zugeordnet.
Der Text ist kurz, einfach und prägnant und enthält viel wörtliche Rede, so dass das Kind schnell mitten drin in der Geschichte ist.
Die Geschichte selbst ist lustig und unterhaltsam und knüpft wunderbar an die Erfahrungswelt der Kinder an.
Wie oft sagen Erwachsene oder andere Kinder einfach unachtsam etwas zu den Kindern und lassen diese dann ratlos und gekränkt zurück.
Anders als die Erwachsenen weiß das Kind oftmals nicht, dass manche Dinge unter Stress, Zeitdruck oder aus Wut, während eines Streit oder Ähnlichem gesagt werden.
Dabei beziehen sie vieles auf sich und suchen den Fehler bei sich selbst.
Kinder nehmen sich vieles sehr zu Herzen und daher empfinde ich das Buch auch als lesenwert für Eltern und andere Erwachsene, damit sie sich besser in das Denken und Fühlen von Kindern hineinversetzen können.
Sehr schön finde ich in der Geschichte die Rolle der Mutter.
Sie ist es, die die verunsicherte und verletzte Marie an die Hand nimmt und ihr zeigt, dass sie so geliebt wird wie sie ist und mit ihr alles in Ordnung ist.
Sie nimmt ihre Gefühle und Sorgen ernst, hört ihr zu und gibt ihr dadurch die Möglichkeit, ein positives Selbstbild zu entwickeln und ihr Selbstwertgefühl zu stärken.
Das Buch eignet sich sehr gut, um mit Kindern die im Alltag gekränkt wurden behutsam über das Thema zu reden.
In die Rolle von Marie können sich die Kinder gut hineinversetzen und nachempfinden, wie sie sich an ihrer Stelle fühlen würden etc.
Das Buch ist aber auch eine gute Methode, mit Kindern ins Gespräch zu kommen, die andere im Alltag durch Schimpfwörter und andere unachtsame Äußerungen verletzen.
Anhand der Geschichte von Marie lernen sie auf humorvolle Weise, was solche Äußerungen bei anderen Menschen anrichten können.
Das Buch eignet sich sowohl zum daheim Vorlesen, als auch zum Vorlesen in einer Kindergruppe und bietet sich immer an, wenn das Thema Freundschaft gerade die Kinder beschäftigt.

Viel Spaß beim Lesen und gemeinsam Anschauen wünscht Aletheia

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