Sonntag, 8. März 2015

Meine Rezension zu "Volturnus schläft" von Bettina Schott

Die Einleitung:
Als die Debütautorin Bettina Schott auf Facebook ihren neuen Roman, der im Schwarzwald des 18. Jahrhunderts  spielt vorstellte, wurde ich als waschechte Schwarzwälderin sofort hellhörig.
Ich freue mich sehr darüber, dass die Autorin mir ein Leseexemplar zugeschickt hat.
Ich wohne in der Goldstadt Pforzheim, einer sehr geschichtsträchtigen Stadt im Herzen des Schwarzwalds.
Der Ort Altensteig, in welchem der Roman spielt ist ca. eine Autostunde von mir entfernt.
Ich lese gerne historische Romane und ein solcher Roman, der in meiner näheren Umgebung spielt ist für mich etwas ganz Besonderes.
Ich mag es, in längst vergangene Zeiten einzutauchen, mir vorzustellen, wie die Menschen damals gelebt haben, woran sie geglaubt haben, wie die Gesellschaft damals strukturiert war und wie weit die Technik und die Wissenschaften fortgeschritten waren.

Die Autorin:
Bettina Schott (geb. Daiber) wurde 1976 im Südschwarzwald geboren.
Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Arzthelferin.
Ein Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin folgte.
Die Autorin ist verheiratet und hat drei Kinder, die auch sehr gerne lesen.
Um ihr Lesefutter für die nächsten Jahrzehnte zu sichern, hat der bekennende Bücherwurm vor einigen Jahren beschlossen ihr eigenes Online- Antiquariat zu eröffnen, welches inzwischen ungefähr 25.000 Bücher umfasst.
Vor einigen Jahren hat sie selbst angefangen zu schreiben.
Mit ihrer ersten eingereichten Kurzgeschichte gewann sie beim „1. Tag des Schreibens“ 2011 einen Verlagsvertrag bei Droemer Knaur.
Damals war sie noch nicht verheiratet und schrieb E-Books unter ihrem Mädchennamen.
Ihren ersten Roman „Volturnus schläft“ veröffentlichte sie Anfang 2015 als E-Book.
Inzwischen ist er auch als Taschenbuch erhältlich.
Wer mehr über die sympathische Autorin und ihre Werke wissen möchte, wird auf ihrer Homepage fündig: 
http://bettinaschott.blog.de/

Fakten zum Buch:
Das Taschenbuch erschien am 6. Januar 2015 im Selbstverlag  bei CreateSpace Independent Publishing Platform.
Es umfasst 342 Seiten und ist für 10,99 Euro zu haben.

Der Klappentext:
„Schwarzwald, 1748.
Ein folgenschwerer Unfall im Wald, ein heimtückischer Mordanschlag am Fluss, eine schändliche Entführung…
Von einem Tag auf den anderen ist in der sonst so friedfertigen Flößerstadt Altensteig nichts mehr wie zuvor.
Doch es kommt noch schlimmer:
Schuld an den Gräueltaten soll die blinde Wirtstochter Agnes haben, die vom Opfer zum Sündenbock gemacht wird.
Hexenwerk sei im Spiel, und der Ruf nach Vergeltung wird laut…“.

Ein facettenreicher historischer Roman, der den Alltag des Schwarzwalds im 18. Jahrhundert wieder aufleben lässt.

Die Gestaltung des Buches:
Auf der Oberseite des Covers  steht der Name der Autorin in weißen Großbuchstaben.
Im Zentrum des Covers sieht man eine junge Frau mit lockigem Haar, welche ein dunkelrotes Kleid trägt.
Man sieht ihr Gesicht nicht, da sie von hinten abgebildet wird.
Die junge Frau läuft durch einen düster und unheilvoll wirkenden Wald.
Der Weg auf dem sie läuft ist über und über bedeckt mit roten Blättern.
Überwiegend kahle Bäume säumen ihren Weg und scheinen sich ihr gefährlich zu zuneigen.
An den Baumkronen entdecke ich vereinzelt blutrote Blätter.
Das Cover wurde an allen Ecken mit fantasievollen Ornamenten verziert.
Unter dem Bild der Frau steht der Buchtitel „Volturnus schläft“, welcher mich durch seine farbliche Gestaltung an lodernde Flammen erinnert.
Mir gefällt die Gestaltung des Covers sehr gut.
Es erzeugt eine düstere Atmosphäre und macht neugierig darauf, welche unheimlichen Geheimnisse sich wohl dahinter verbergen.
Meiner Meinung passt es sehr gut zur blinden Agnes, welche im Buch buchstäblich durch eine finstere Welt wandelt, in der ihr nicht jeder wohlgesonnen ist und in der viele Gefahren lauern.

Die Geschichte und meine Meinung dazu:
Als passende Einstimmung zur düsteren und gefährlichen Atmosphäre im Prolog beginnt das Buch mit einem Gedicht, welches eine hoffnungslose Stimmung vermittelt.
Die eigentliche Geschichte beginnt mit einer unheilvollen Szene im Wald, deren Zeuge ich als Leserin werde.
Ein heimlicher lüsterner Beobachter erfreut sich unbemerkt am Anblick einer hübschen jungen Frau, die sich in den frühen Morgenstunden an einem Fluss im Wald erfrischt.
Ich habe ein ungutes Gefühl, als ich diese Zeilen lese.
Mir scheint, als drohe der jungen Frau eine unmittelbare, namenlose Gefahr von diesem heimlichen Beobachter, daher bin ich froh, als er durch nahende Waldarbeiter in seinem Tun gestört wird.

Wir befinden uns in dem kleinen Schwarzwälder Ort Altensteig im 18. Jahrhundert.
Hier lebt die blinde Wirtstochter Agnes Gantner.
Agnes einziger richtiger Freund ist der Fluss Nagold, an welchem ich ebenso wie an der Enz schon viel Zeit verbracht habe, da in Pforzheim die Flüsse Enz, Nagold und Würm zusammenfließen.
Agnes fühlt sich mit dem Fluss tief verbunden.
Dort, in Altensteig,  an der Flussbiegung Monhardter Wasserstube welche in der heutigen Zeit ein Freilichtmuseum  und ein Relikt aus der Zeit des Flößertums ist, kann sie in den frühen Morgenstunden in Ruhe den Geräuschen des Waldes lauschen und ihren Gedanken nachhängen.
Der verborgenen Gefahr, der sie um ein Haar entronnen ist, ist sie sich nicht bewusst.
Die kurze Zeit für sich bildet für Agnes einen starken Kontrast zur hektischen Betriebsamkeit in der Wirtsstube „Ochsenstube“ welche sie zusammen mit ihrer Mutter Martha betreibt.
Der Alltag dort ist anstrengend, undankbar und voller Widrigkeiten.
Agnes und Martha müssen viel erdulden und besonders Martha hat ein von heftigen Schicksalsschlägen gebeuteltes Leben.
Ich bewundere diese Frau, die trotz allem weiter kämpft und sich immer wieder aufrappeln kann.

Nicht nur die Hektik ist es, die Agnes stört.
Nein, es sind die zahlreichen Demütigungen und Beschimpfungen denen sie  in der Wirtsstube und in Altensteig ausgesetzt ist.
An ihrem Beispiel lässt mich die Autorin hautnah miterleben, was es im Schwarzwald des 18. Jahrhunderts bedeutete, blind zu sein.
Agnes hatte ein hartes Los und doch war sie eine fleißige Natur, die ihr Bestes gab, um der Mutter zu helfen.
Es beschämte mich zu lesen, wie sie von so manchem ungehobelten Mitbürger drangsaliert und verspottet wurde.
Sie hatte lobenswerte Wünsche und Träume und es machte mich etwas traurig, dass ihr diese verwehrt blieben.
Ein Lichtblick war ihr jüngerer Bruder Friedel, der stets mit großem Respekt von ihr sprach und der ihr gern eine Freude machte.
Von ihm erhielt sie auch ein besonderes Geschenk, für das sie ihm sicher lange dankbar sein würde.
Die Beiden hatten ein sehr schönes Verhältnis zueinander.
Agnes nahm ihren Bruder ihrerseits immer in Schutz und  zeigte Verständnis für seine Interessen.
Friedel schaut gerne den Waldarbeitern am Egenhäuser Kapf bei der Arbeit zu und ist völlig fasziniert vom alten Louis Bronner, der ihm unten am Fluss gerne Geschichten aus alten Zeiten erzählt.
Eine bestimmte Sage lässt Friedel nicht mehr los.

Die Szenerie wechselt zu Hinrich Forstleitner, der mit seinem Freund Barthel Wegner seinem mühsamen Tagwerk im Wald nachgeht.
Die beiden jungen Männer verdienen sich wie viele Männer zu dieser Zeit ihr täglich Brot mit dem Flößerhandwerk.
Die Arbeit ist anstrengend und gefährlich und die Konkurrenz ist groß.
Hinrich fällt auf, dass sein sonst so fröhlicher Freund, der immer mit allen gut zurecht kommt ungewohnt ernst und mürrisch ist.
Was bekümmert Barthel?

Die Bewohner des Ortes befinden sich mitten in Vorbereitungen zu gleich zwei großen, bedeutsamen Festlichkeiten:
Ein neuer Brunnen soll eingeweiht werden und Ostern steht vor der Tür.
Während alle ihrem Tagewerk nachgehen, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse und es scheint so, als würde keine Ruhe mehr einkehren.
Unliebsame Begegnungen, denen noch schlimmere folgen werden.
Eine Liebe, die unter keinem guten Stern steht.
Ein folgenschwerer Brief und ein Streit.
Ein großer Verlust und tiefe Trauer.
Ein verhängnisvoller Unfall wirft seine Schatten über die feierliche Stimmung und ein feiger Mordversuch wiegelt die Massen noch mehr auf.
Ein Schuldiger muss her.
Drohungen werden laut und Vorwürfe stehen im Raum.
Die Gemüter sind erhitzt und voller Rachsucht.
Meinungsverschiedenheiten werden ausgetragen, Gewalt wird ausgeübt und schon bald zieht ein wütender Mob durch die Straßen, der vor nichts Halt macht.
Über all dem bemerkt niemand das drohende Unheil, welches sich im Vorborgenen zusammenbraut.
Agnes befindet sich in tödlicher Gefahr.
Wer wird ihr helfen?
Oder ist es schon zu spät?

Mein Fazit:
Mit "Volturnus  schläft“ hat die Autorin mich in ihren Bann gezogen und mich von ihrem flüssigen und fesselnden Schreibstil überzeugt.
Der Sprachstil der Autorin ist der damaligen Zeit angepasst und enthält authentische Begriffe und Redewendungen (z.B. Haderlump, hernach).
Als ich anfing das Buch zu lesen, wusste ich noch nicht, was mich erwarten würde.
Ich kannte nur den Klappentext und war neugierig darauf, was es mit dem Buchtitel auf sich haben würde.
Zu meiner großen Freude handelt es sich bei dem Buch nicht nur um einen historischen Roman.
Nein, auch fantastische Elemente kommen darin vor und die Handlung könnte es mit so manchem Thriller aufnehmen.
Eine sehr gelungene Mischung vor einer glaubhaften historischen Kulisse!
Das Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite und überrascht durch immer neue Wendungen.
Es machte mir großen Spaß zu rätseln, wer hinter der Entführung und dem Mordversuch steckte.
Manches Mal hatte ich so eine Ahnung, andere Male tappte ich im Dunkeln.
Die Autorin versteht es gekonnt verschiedene Einzelschicksale zu einem großen Ganzen zu verweben.
Die Charaktere in „Volturnus schläft“ sind sehr gut ausgearbeitet.
Sie alle haben ihre besonderen Eigenheiten und blieben mir so gut im Gedächtnis.
Einige wie Agnes  sind mir so richtig ans Herz gewachsen.
Manche Charaktere wie Bertram, der Bruder von Wentzel Hornbacher; das Küferehepaar oder der Büttel brachten mich zum Schmunzeln.
Andere wie der schrullige, verschrobene Alte Louis Bronner waren mir sympathisch und faszinierten mich.
Ich hätte mich gern zu ihm und seinem ungewöhnlichen Mitbewohner, der mir auch sehr ans Herz gewachsen ist, an den Fluss gesetzt und seinen Erzählungen von den Sagen und Mythen rund um die Nagold gelauscht.
Meiner Meinung kommen Sagen und Mythen in unserem hektischen, technologisierten Alltag ohnehin viel zu kurz.
Ich erinnere mich gerne an eine Nachtwanderung in meiner Schulzeit zurück, bei der am Lagerfeuer gruselige Sagen aus der näheren Umgebung erzählt wurden und bei der ich den Wald um mich herum plötzlich mit anderen Augen sah.
Am Faszinierendsten war für mich neben dem alten Bronner die Figur der Kräuterzenzl, die immer auf Reisen war und den Menschen durch abenteuerliche Mixturen zu helfen wusste.
Man merkt dem Buch an, wie viel Herzblut und Recherche darin steckt.
Neben einer spannenden Handlung finden sich darin unter Anderem detaillierte Beschreibungen des Flößerhandwerks, welche sicher nicht nur für Liebhaber alter Handwerkskunst interessant sind.
Neben den politischen Hintergründen gibt die Autorin einen guten Einblick in die Regeln und Gebräuche der damaligen Zeit.
Sie zeigt auf, welche Unterschiede es je nach gesellschaftlichem Stand und welche Hierarchien es innerhalb der Familie gab, was man besonders gut am Beispiel von Hinrichs Schwester Ursel und Agnes erkennen kann.
Sie gibt einen faszinierenden Einblick in hauswirtschaftliche Tätigkeiten (Wäsche waschen, das Buttern, das Haltbarmachen und Aufbewahren von Lebensmitteln) im 18. Jahrhundert.
Vieles wusste ich darüber noch nicht und fand es sehr spannend darüber zu lesen.
Sehr interessant fand ich auch die Einblicke in die damaligen Berufsstände, die mir so auch nicht geläufig waren.
Was mir gut gefallen hat, war, dass in all dem mitunter recht gruseligen Dorftratsch und durch so manchen liebgewonnenen Charakter auch ein Hauch Magie in der Luft schwebte.
Die Erwähnung einer bestimmten Gemüsesorte ließ mich aufhorchen und sie mit anderen Augen sehen.
Die Autorin zeigt, wie schnell sich ein wütender Mob bilden kann, der sich gegen jemand aufwiegeln lässt, ohne auch nur den Hauch eines Beweises zu haben.
Toll fand ich auch die Einblicke in die Medizin der damaligen Zeit und welche Grenzen ihr gesetzt waren.
Die Autorin zeichnet in ihrem Buch ein stimmiges Bild einer Gesellschaft zwischen Aberglaube und Frömmigkeit, Mitleid und Rachsucht.
„Volturnus schläft“ ist ein Buch, welches mich in vieler Hinsicht positiv überrascht hat.
Mit ihrer spannenden Geschichte nahm mich die Autorin mit auf eine Reise in die Vergangenheit.
Sie hat mich sehr neugierig auf das Leben im 18. Jahrhundert gemacht.
Die Autorin hat ein gutes Händchen dafür, Menschen, Landschaften und Geschehnisse zu beschreiben und meine Fantasie tat ihr Übriges um die richtige Atmosphäre aufkommen zu lassen.
Ihre Beschreibungen des Ortes Altensteig zur damaligen Zeit fand ich so interessant, dass ich beschlossen habe, ihn zu besuchen, um mir vor Ort alles anzuschauen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich bin schon sehr gespannt auf das nächste Buch der Autorin!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Aletheia