Dienstag, 19. Mai 2015

Meine Rezension zu "Heilbronn 37°" von Henrike Spohr

Die Einleitung:
Ich entdecke gerne deutschsprachige Debütautorinnen und -autoren und ihre Bücher.
Dabei findet man manchmal fernab vom Mainstream richtige Schätze.
Einer davon ist das Buch „Heilbronn 37°“ der Heilbronner Autorin Henrike Spohr, welches ich im Rahmen einer Wanderbuchrunde gelesen habe.
Sehr schön fand ich, dass ich mich mit der Autorin in ihrer Leserunde über „Heilbronn 37°“austauschen und ihr viele Fragen zum Buch stellen konnte.
Bei dem Buch sprachen mich sowohl das auffällige Cover, als auch der spannende Klappentext sofort an.
Und da Heilbronn ca. 83, 5 km, also etwa eine Autostunde von meiner Heimatstadt Pforzheim entfernt ist, musste ich das Buch einfach lesen.


Die Autorin:

Eines Abends wollte sich Henrike Spohr mit ihrem Mann einen gemütlichen Fernsehabend machen, aber wie so oft kam nichts  Interessantes im Fernsehen.
Also überlegten sie sich, während sie bei einem Glas Wein auf der Terrasse saßen, wie der Film sein müsste, den sie jetzt gerne anschauen würden.
Und so nahm Abend für Abend eine Geschichte Gestalt an, bis ihr Mann den Vorschlag machte, sie solle ein Buch schreiben.
Und so geschah es.
Zum Glück, denn ihr Debütroman „Heilbronn 37°“ ist wirklich gelungen…
Henrike Spohr lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Heilbronn, direkt am Waldrand.


Fakten zum Buch:
Das broschierte Taschenbuch erschien am 23. Juli 2014 beim Emons Verlag.
Es umfasst 256 Seiten und ist für 9,90 Euro zu haben.
Der Emons – Verlag ist Spezialist für Regionalkrimis und Regionalliteratur aus vielen verschiedenen Genres aus
Deutschland, Italien, Schweiz, Österreich, Frankreich, Spanien und Luxemburg.


Der Verlag über das Buch:
„Die Zeit heilt keine Wunden.
Drückende Hitze liegt über Süddeutschland.
Tamara arbeitet wie eine Besessene an den Bildern für ihre erste Ausstellung.
Doch mit jedem Tag wird das Gefühl, beobachtet und verfolgt zu werden, stärker, denn in ihrer Vergangenheit lauert eine dunkle Bedrohung:
„Irgendwann, wenn du nicht daran denkst, werde ich zu dir kommen!“.
Doch dieses Mal will Tamara kein wehrloses Opfer sein...“


„Eindringlich erzählt, fesselnde Charaktere und eine Geschichte, die Stück für Stück ihr düsteres Geheimnis preisgibt: ein Psychothriller mit Sogwirkung.“

„Sie würde ihre Welt rot malen, nur noch diese eine Farbe gelten lassen.
Diese Farbe, neben der keine andere bestehen konnte.
Rot wie Liebe, rot wie Feuer, rot wie Blut und Hass.“


Die Gestaltung des Buches:

Das Cover des Buches hat einen hohen Wiedererkennungswert, da es ähnlich wie die anderen Regionalkrimis vom Emons-Verlag gestaltet wurde.
Ihnen allen gemeinsam ist, dass im Hintergrund ein zum Thema oder zur Region passendes Bild zu sehen ist und davor auf einem weißen Rechteck der Name des Autors oder der Autorin und das Genre in schwarzen Buchstaben, sowie der Buchttitel in orangenen Buchstaben zu sehen ist.
Bei „Heilbronn 37°“ steht dies in der oberen Hälfte des Covers.
Im Hintergrund sieht man vor der Kulisse eines dunklen Nachthimmels den Kirchturm und einen Teil des Dachs der Heilbronner Kilianskirche, welche von einem Blitz erhellt wird.
Ich empfinde die Gestaltung des Covers als sehr passend.
Die Geschichte spielt in Heilbronn, mitten in einem besonders heißen Sommer, in welchem es auch zu Gewittern kommt.
Außerdem erinnert sich die Protagonistin Tamara im Buch an ein Gewitter in ihrer Kindheit.


Die Geschichte und meine Meinung dazu:
Das Buch beginnt mit einem Prolog, durch den eine gefährliche, unheilvolle Stimmung aufkommt:
Mitten in einer idyllischen Heilbronner Gegend, in welcher aus den gepflegten Vorgärten Kinderlachen dringt und einem der Geruch von frisch gemähtem Gras und Gegrilltem in die Nase steigt, lebt die 29- jährige Künstlerin Tamara zurückgezogen mit ihrem Mann Paul.
Tamara träumt davon, von ihrer Kunst leben zu können.
Die bevorstehende Vernissage, ihre erste Einzelausstellung könnte diesen Traum wahr werden lassen.
Deshalb arbeitet Tamara von früh bis spät an ihren Bildern und bewegt sich zwischen der gemeinsamen Wohnung und ihrem Atelier im Süden der Stadt hin und her, während um sie herum der „Jahrhundertsommer“ Heilbronn in Atem hält.
Im Verborgenen versteckt sich ein Beobachter, der in der idyllischen Gegend wie ein Fremdkörper wirkt.
Er kennt Tamaras Tagesablauf besser als sie selbst und war mir zu Beginn äußerst unheimlich.
Die Vorstellung, dass mich jemand ohne mein Wissen beobachten könnte, fand ich ziemlich beunruhigend.
Der Beobachter möchte wissen, was Tamara so Besonders macht, dass man sie observieren muss und versucht sie aufzuscheuchen, aus ihrer Routine ausbrechen zu lassen.
Was ist der Grund dafür, dass sie so zurückgezogen lebt und selten soziale Kontakte hat?
Warum hat sie in letzter Zeit so viel abgenommen?
Liegt es an dem Stress wegen der bevorstehenden Vernissage oder steckt mehr dahinter?
Seit einem traumatischen Erlebnis vor 15 Jahren leidet Tamara an Schlafstörungen und Alpträumen.
Eine kleine Unachtsamkeit bringt eine unheilvolle Lawine ins Rollen.
Das Gefühl verfolgt und beobachtet zu werden und die vielen kleinen Details, die dafür zu sprechen scheinen, bringen sie schier um den Verstand.
Hat es Jo, ihr Peiniger von damals erneut auf sie abgesehen?
Schließlich sagte er damals „Irgendwann, wenn du nicht daran denkst, werde ich zu dir kommen!“.
Dies hat sich tief in Tamaras Gedächtnis gegraben und lässt sie nicht mehr los.
Grauenvolle Flashbacks versetzen sie zurück in die Zeit mit Jo und hindern sie daran, ihren Alltag wie gewohnt weiterzuleben.
Ihre Ängste versucht sie mit Routine und der Arbeit an einem letzten Bild zu bekämpfen.
Dieses letzte Bild hilft ihr dabei, sich mit ihren schrecklichen Erlebnissen, die sie immer häufiger einholen auseinanderzusetzen.
Genauso, wie ihr Bild sich zu einem beeindruckenden Werk mit einer unglaublich starken Außenwirkung verändert, verändert sich auch Tamara.
Sie möchte nicht mehr Opfer sein und wehrlos im Verborgenen leben.
Stattdessen sucht sie geradezu manisch nach ihrem Peiniger.
Sie lauert dabei wie eine Katze, die auf Beutezug ist, um im richtigen Moment zuzuschlagen.
Paul merkt, dass etwas unter der Oberfläche brodelt.
Er macht sich große Sorgen um Tamara und fragt sich, was sie bedrückt.
Schließlich lässt er sich nach und nach von ihren Ängsten anstecken.
Seine Sorge ist richtig greifbar und er tut mir unendlich leid.

Einst war Tamara ihm so nah, doch jetzt ist sie so fern wie noch nie.
Ein falsches Wort und schon schließt sie ihn komplett aus.
Sie verändert sich innerlich wie äußerlich und Paul erkennt sie nicht wieder.
Die Entfremdung zwischen Paul und Tamara tut mir total Leid.
Sie waren so ein tolles Paar und nun kennen sie einander nicht mehr.
Tamara wird immer abweisender und steigert sich schließlich ins Rücksichtlose und Selbstzerstörerische.
Ist sie verrückt und paranoid geworden?
Merkwürdige Vorkommnisse häufen sich und Paul weiß selbst nicht mehr, was er noch glauben soll.
Einen starken Kontrast zu Tamara und Paul bilden das Ehepaar Anna und Andreas.
Während der Anwalt Andreas ehrgeizig an seiner Karriere arbeitet, sitzt Anna alleine zu Hause in der großen Jugendstilvilla.
Sie fühlt sich von Andreas vernachlässigt und leidet zunehmend unter seinem Verhalten.
Von Ängsten und Selbstzweifeln zerfressen zweifelt sie an Andreas Aufrichtigkeit und beginnt, ihm hinterher zu spionieren.
Dabei bemerkt sie nicht, was sich direkt vor ihren Augen abspielt…
Warum ist Andreas ständig nervös und was hat es mit dem geheimnisvollen Eintrag „A“ in seinem Kalender auf sich?
Wer ist der geheimnisvolle Beobachter und wer sein Auftraggeber?
Und wer ist eigentlich Jo?


Mein Fazit:
Mit ihrem Debütroman hat Frau Spohr mich in vielerlei Hinsicht positiv überrascht.
Hinter ihrem Buch verbirgt sich nicht wie auf dem Cover angegeben ein Krimi, sondern ein Psychothriller mit paranormalen Elementen, bei dem man zwei Mal hinschauen muss, was mir persönlich sehr gut gefällt.
Wer paranormale Elemente nicht so mag, sollte das Buch ruhig trotzdem lesen, denn diese entdeckt nur der Leser, der sich ein wenig damit beschäftigt hat und genau liest.
Die Autorin hat mich mit ihrem flüssigen, atmosphärisch dichten Schreibstil in ihren Bann gezogen.
Durch den aufwühlenden Prolog war ich schnell mittendrin im Geschehen und verfolgte voller Spannung, was mit Tamara und um sie herum geschah.
Es fiel mir schwer das Buch aus der Hand zu legen und als ich es zu Ende gelesen hatte, musste ich es unbedingt erneut lesen, um alle offenen Fragen zu klären und an manchen Stellen genauer hinzuschauen.
Tatenlos musste ich mitverfolgen, wie Tamara sich immer mehr in dunklen Erinnerungen an die damalige Zeit verlor.
Ihre Flashbacks waren so gut geschrieben, dass ich sie vor meinem geistigen Auge sehen konnte und an manchen Stellen ziemlich mitgenommen war.
Mit Tamara ist Henrike Spohr eine sehr gute Protagonistin gelungen.
Durch Tamaras Erinnerungen an ihre Kindheit und Einblicke in ihren Alltag nimmt ihr Charakter Gestalt an.
Hier wird richtig spürbar, was für eine Tragweite eine einzige falsche Handlung für ein ganzes Menschenleben haben kann.
Ihr Charakter macht im Laufe des Buches einen starken Wandel durch und verändert sich spürbar.
Dabei geht die Autorin richtig in die Tiefe und scheut keine Extreme.
Aus der ängstlichen, kreativen Tamara, die ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Routine hat, wird eine aggressive, impulsive, unbeherrschte Tamara, welche mir stellenweise fast schon etwas unheimlich war.
Paul, der anfangs so etwas wie Tamaras Rettungsanker war, geriet ziemlich ins Wanken und bereitete mir große Sorgen.
Würde er sich zu sehr von Tamaras Ängsten beeinflussen lassen?
Beim Lesen des Buches wurde mir mal wieder deutlich, wie wichtig eine gute Kommunikation in einer Beziehung ist.
Sowohl bei Andreas und Anna, als auch bei Tamara und Paul hätte vieles anders verlaufen können, wenn sie mehr und anders miteinander geredet hätten.
Die Autorin nahm mich mit auf eine Reise in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche.
Immer wieder lenkte sie den Fokus von der Protagonistin Tamara hin zu den anderen Charakteren wie Tamaras Ehemann Paul, zum Ehepaar Anna und Andreas, und zu dem geheimnisvollen Beobachter.
Jeder einzelne Charakter war gut ausgearbeitet und glaubhaft dargestellt.
Sie alle bestechen dadurch, dass sie tief in ihr Innerstes blicken lassen und Einblicke in ihre Sicht auf die Vergangenheit und Gegenwart geben.
Einige von ihnen taumeln am Rande des Abgrunds und sind auf eine faszinierende Art und Weise miteinander verbunden.
In dem Buch kreuzen sich die Wege der Protagonisten immer wieder, ohne dass sie jeweils davon wissen.
Das gefällt mir.
Frau Spohr ließ mich hinter die Fassade der Charaktere blicken und lenkte meine Sympathien und Antipathien für sie geschickt aus dem Hintergrund, ohne dass ich mir dessen bewusst war.
Die häufigen Perspektivwechsel machten die Geschichte umso spannender und ließ mich meine Theorien immer wieder verwerfen.
Die Autorin täuschte mich geschickt und lockte mich immer wieder auf eine falsche Fährte, sodass ich am Ende fassungslos alle losen Fäden zu einem Ganzen verknüpfte und nicht glauben konnte, wie blind ich gewesen war.
Einzig der Epilog kam mir ein bisschen zu schnell, aber das tut der Geschichte meiner Meinung keinen Abbruch.
Henrike Spohr  hat ein gutes Händchen dafür, die Atmosphäre, wenn ein Gewitter oder ein Sturm nahen zu beschreiben.
Sie hat viele kleine Details in die Geschichte eingeflochten, bei denen die schwüle Hitze beim Lesen fast schon greifbar wird.
Die Autorin spielt mit den Ängsten des Lesers, indem sie dunkle Keller zu gefährlichen Orten werden lässt.
Und auch sonst kommt ein gewisser Grusel nicht zu kurz:
Ein Gewitter untermalt die Geschichte an der passenden Stelle, ein Sturm kommt auf und bringt Chaos und Zerstörung in die Idylle.
Paul wird von seltsamen nächtlichen Geräuschen um den Schlaf gebracht und immer wieder tauchen geheimnisvolle Katzen auf und verschwinden wieder…
In ihrem Buch lässt die Autorin mich an einer ganzen Bandbreite von Emotionen teilhaben und konfrontiert mich mit Themen wie Tod und Verlust, Zerstörung, Veränderung und Wandlung.
Schön finde ich, dass der Roman in Heilbronn spielt und viel Lokalkolorit im Buch vorkommt.
An einer Stelle des Buches trinken Tamara und Paul zum Beispiel den Wein „Lemberger“, dessen Rebsorte in Baden-Württemberg angebaut wird.
Für Leser, die schon einmal in Heilbronn waren oder dort oder in der Nähe wohnen, hat das Buch sicher einen großen Wiedererkennungswert.
Ich selbst war nur einmal dort, als wir mit unseren zwei Kita-Teams die "Experimenta" besucht haben.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich bin schon sehr gespannt auf die nächsten Werke der Autorin!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Aletheia



2 Kommentare:

Mia hat gesagt…

Manchmal frage ich mich ja, ob wir den Begriff Jahrhundertsommer in letzter Zeit nicht etwas zu inflationär verwenden ... 2013 so heiß, dieses Jahr so heiß, ich weiß gar nicht, wie oft wir uns dieses Jahr im EKZ abgekühlt haben (aber zumindest den Handel freut's, mein Freund hat sich ein neues Genesis Shirt gekauft, ich seeehr viele Bücher). Trotzdem klingt das Buch interessant, wobei ich glaube, dass ich es erst lesen will, wenn es draußen nicht mehr soooo warm ist ^^.

Liebe Grüße
Mia

Janine K. hat gesagt…

Hallo liebe Cristina,

ich habe dieses Buch vor kurzem auch erst gelesen und rezensiert und ich hoffe, es ist für dich okay, dass ich deine Rezension in meiner unter der Überschrift “Weitere Rezensionen zu vorgestelltem Buch” verlinkt habe? Falls nicht, melde dich einfach kurz bei mir und ich lösche dich auf der Stelle raus, ja? ;)
http://janine2610.blogspot.co.at/2015/08/rezension-heilbronn-37-henrike-spohr.html

Alles Liebe ♥,
Janine